LG KB770: Mobil fernsehen auf dem Handy

16.01.2009 von

LG KB770

Platz 848/861
UVP: 399,00 €
Datum: 19.01.2009

  • 16,2
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  • 0,0
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  • Akkuleistung:

Mit dem HB620T brachte LG Electronics das erste TV-Handy auf den Markt, das kostenloses Fernsehen via DVB-T ermöglicht. Mit dem KB770 kommt nun der Nachfolger in die Läden, der mit größerem Bildschirm und längerer Akkulaufzeit überzeugen soll.

Die Einführung des Handy-Fernsehens in Deutschland ist eine traurige Geschichte. Dabei sah es ursprünglich so aus, als würde Deutschland als eines der ersten Länder Europas überhaupt mit mobilem TV beglückt werden. 2006 entschieden die Landesmedienanstalten, erst einmal auf DMB zu setzen, aber auch den konkurrierenden TV-Standard DVB-H auszubauen.

DVB-H basiert auf DVB-T und liefert ähnlich wie DMB niedrige Bilddatenraten. Das reicht für die kleinen Handy-Bildschirme aus und ermöglicht, dass auf einem terrestrischen Kanal, über den früher ein analoges TV-Programm übertragen wurde, nunmehr bis zu 40 DVB-H-Programme Platz finden.

DMB wurde  mangels Nachfrage wieder eingestellt. Fünf Euro pro Monat für gerade mal vier TV- und zwei Radioprogramme wollte niemand ausgeben. DVB-H sollte dann 2008 starten, doch da der Plattformbetreiber Mobile 3.0 die Lizenz zurückgeben musste, wurde daraus erst einmal nichts.

Zwar ist mit dem Nokia N96 schon ein Handy auf dem deutschen Markt, das DVB-H beherrscht, aber die Inhalte fehlen. Insofern kam das LG HB620T gerade recht und verkaufte sich nach Herstellerangaben in Deutschland circa 500.000 Mal. Das erste TV-Handy kann DVB-T darstellen, das mittlerweile von über 90 Prozent der deutschen Bevölkerung empfangen werden kann. Nachteil: In den meisten Gebieten sind die Privatsender nicht mit von der Partie und die Batterie des HB620T reicht nur mit viel Glück für eine Fußball-Live-Übertragung.

An der vielerorts mangelnden Programmvielfalt kann das LG KB770 zwar nicht viel ändern, aber das Display des neuen TV-Handys von LG ist mit einer Diagonale von drei Zoll endlich ausreichend dimensioniert. Keine Spur mehr von Mäusekino wie beim Vorgänger!

Beim tariftip.de-Test in Hamburg findet das LG KB770 insgesamt 34 TV-Sender. Das liegt aber daran, dass die Regionalprogramme des Norddeutschen Rundfunks – NDR Hamburg, NDR Schleswig-Holstein, NDR Niedersachsen und NDR Mecklenburg-Vorpommern – nominell auf eigenen Frequenzen senden. Bis auf ihre Regionalfenster strahlen diese Sender aber de facto ein identisches Programm aus.

Der NDR-Multiplex ist der Kanal, den das KB770 am schlechtesten empfängt. Im „Schatten“ hoher Bebauung verliert das TV-Handy bei NDR, WDR, MDR, BR und HR gern das Signal, bleibt bei den anderen Sendern aber standhaft. Ausnahme: Das TV-Handy liegt flach auf dem Tisch oder die DVB-T-Empfangsantenne ist nicht herausgefahren.

Gegenüber dem ersten TV-Handy sind trotzdem deutliche Fortschritte zu verzeichnen. Der Sendersuchlauf ist schneller und auf dem größeren Bildschirm kann DVB-T seine Vorteile gut ausspielen. Das brillante Bild sorgt vor allem bei den Öffentlich-Rechtlichen für neidische Blicke der Sitznachbarn in der S-Bahn.

Gut gemacht ist der elektronische Programmführer. Der EPG reicht zwar nicht bis zu sieben Tage in die Zukunft, wie man das von ausgewachsenen Receivern kennt, aber das LG KB770 ist ja auch nur mobilen Nutzung gedacht. Insofern reicht es, dass man weiß, welche Sendungen auf einem Kanal in den nächsten Stunden laufen.

Auch wenn das KB770 als Mini-Fernseher durchgeht, ist es in erster Linie immer noch ein Handy. Insofern ist es erfreulich, dass die Empfangsqualität des TV-Handys mit dem normaler Mobiltelefone spielend mithalten kann. Beide Gesprächspartner können sich bei normalen Bedingungen glasklar verständigen.

Allerdings wird die Hörqualität durch ein leichtes Rauschen gestört, wenn die Empfangssituation nicht ideal ist. Dennoch ist der GSM-Empfänger des KB770 stark genug, um auch am Rande unserer O2-Referenz-Homezone noch das Signal der „Heimatantenne“ zu erhaschen.

Das Menü des KB770 ist angenehm einfach strukturiert. Auf dem Start-Display finden sich neben der TV-Funktion auch Anrufliste, Kontaktliste und SMS-Funktion. Über einen fünften Button geht es zum Hauptmenü, in dem auch alle anderen Funktionen auftauchen.

Beim TV-Handy von LG wird fast alles über das Touchscreen-Display gesteuert. Das ist insofern okay, als sich die virtuellen Tasten und Symbole auch von Männerfingern gut treffen lassen. Unangenehm wird es, sobald man in Listen hoch- und herunterscrollen muss. Das Navigieren in der Anrufliste macht so keinen Spaß. Kontakte können Gott sei Dank auch über die Suchfunktion herausgesucht werden.

Etwas besser ist da die SMS-Funktion, bei der Buchstaben per T9, QWERTZ-Tastatur oder Handschrifterkennung eingegeben werden können. Die Schreibmaschinentastatur funktioniert am besten. Unverständlich bleibt, wieso LG diese Art der Eingabe nicht auch für das Erstellen von Kontakten vorgesehen hat.

Bei den Tasten beschränkt sich LG aufs Wesentliche. Vorne ist neben Anruf- und Auflegtaste nur die Menütaste zu sehen. Seitlich ist der Kamera-Button nebst Wippe zum Zoomen angelegt. Ganz wichtig ist die Rolle der Taste mit dem Schlüsselsymbol, denn diese dient zum Sperren und Entriegeln des Displays.

Die Kamera des LG KB770 verfügt über diverse Einstellmöglichkeiten. So können Effekte wie z.B. Negativ oder Sepia, die Lichtempfindlichkeit bis ISO 400 oder Tag- und Nachtmodus eingestellt werden. Anders als die meisten Handy-Kameras schafft die des TV-Handy bei Videos nicht nur eine Auflösung von 176 x 144, sondern immerhin 320 x 240 Pixel. Praktisches Detail: Wenn man nicht mehr weiter weiß, welche Optionen man gewählt hat, kann man das KB770 auf die Werkseinstellungen zurücksetzen.

Die Kamera ist trotz der Vielzahl der eingebauten Features der Schwachpunkt des TV-Handys. Trotz einer Auflösung von drei Megapixeln gelingen Aufnahmen mit dem LG KB770 nur unter idealen Bedingungen:


Dass insbesondere der Autozoom des TV-Handys zu wünschen übrig lässt, verdeutlicht diese Innenaufnahme. Vor allem der Bildrand wirkt milchig und unscharf:


Im Dunkeln wird ein Blitz schmerzlich vermisst. Da kann auch die Einstellung des Nachtmodus nicht viel ausrichten:

 

Die TV-Funktion hat gezeigt, dass das LG über ein ausreichend großes und gut ablesbares Display verfügt. Damit wäre es eigentlich auch wie geschaffen für das Surfen im Internet, doch hier kann das KB770 nicht ganz überzeugen.

Eine ausziehbare Antenne für den DVB-T-Empfang ist an Bord des TV-Handys, aber einen Stift für die Steuerung des Touchscreens sucht man vergebens. So ein Stick wäre aber nötig, um den Browser des Handys besser nutzen zu können. Zwar tut das berührungsempfindliche Display mittels Vibration kund, dass man einen Link berührt hat. Aber zumal mit groben Fingern ist man sich nie ganz sicher, ob es auch der richtige war.

Dabei ist der von LG selbst entwickelte Handy-Browser zwar simpel gestrickt, aber durchaus leistungsfähig. Einfache Seiten wie die taritip.de-Homepage werden dank HSDPA in etwa 15 Sekunden aufgebaut. Eine durch eine Lupe angedeutete Zoom-Funktion erlaubt es, die auf den ersten Blick mikroskopisch kleine Schrift zu vergrößern. Zudem kann man mit dem Finger vertikal und horizontal navigieren. Obwohl das Display des KB770 fast so groß ist wie das des iPhone, reicht es doch in puncto Bedienerfreundlichkeit nicht an das Apple-Handy heran.

Eine bessere Figur als der Browser kann der MP3-Player des KB770 machen. Die Steuerung ist denkbar einfach. Geordnet sind die Lieder nach Interpret, Album oder Genre. Die Auswahl von Songs wird durch die virtuelle Taste „Wiedergabe“ bestätigt.

Das Headset vermittelt Chopins „Nocturnes“ mit ausreichender Klarheit, doch beim Buena Vista Social Club wirkt der Klang einen Hauch zu dünn. Die Vielzahl der Instrumente bei „Chan Chan“ wird nicht in ihrer ganzen Bandbreite dargestellt. Auch sind die Kopfhörer nicht mit Stoff überzogen oder mit Gummistöpseln ausgestattet und lassen Nebengeräusche wie Telefonate am Nebentisch durchdringen.

Beim Stromverbrauch zeigt sich ein gemischtes Bild. Sieht man durchgehend fern, ist nach spätestens zweieinhalb Stunden Schicht im Schacht. Das LG-Handy schaltet die TV-Funktion aus, um eine Akkureserve fürs Telefonieren freizuhalten. Telefoniert man mit dem TV-Handy, reicht der Akku für drei Stunden am Stück. Im MP3-Modus schafft die Batterie des KB770 circa 16 Stunden. Die Stand-by-Zeit fällt mit 290 Stunden nicht üppig, aber akzeptabel aus.

Gegenüber dem Vorgängermodell HB620T ist das KB770 das eindeutig bessere TV-Handy.

Das Display des KB770 ist ausreichend groß und bietet eine erstaunliche Bildqualität. Ist die Antenne ausgefahren, lassen sich nur in schlechten Empfangssituationen nicht alle DVB-T-Sender empfangen. Die Batterie hält bis zu zweieinhalb Stunden durch. So macht das Pausen füllende Fernsehen auf dem Handy Spaß.

Das LG ist hat aber nicht nur als Mini-TV-Empfänger, sondern auch als Handy seine Qualitäten. Empfangs- und Sprachqualität sind gut, das Verfassen von SMS dank Schreibmaschinentastatur schnell erledigt. Die Menüführung des TV-Handys ist erfreulich übersichtlich und empfiehlt sich auch für Handy-Novizen.

Der MP3-Player kann nicht ganz die Erwartungen erfüllen. Gleiches gilt für den Handy-Browser und vor allem für die Kamera. Sie hat zwar eine Auflösung von drei Megapixel, aber der Autozoom funktioniert nicht gut.