Neuer Wettbewerb sorgt für sinkende Handytarife
Ein weiteres Hindernis der sinkenden Handygebühren ist die aktuelle Wettbewerbssituation auf dem deutschen Handymarkt. Dieser wird grundlegend von den vier Netzbetreibern T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2 beherrscht. Wenige Anbieter und eine große Anzahl von Nachfragern kennzeichnen diesen Markt. Charakteristisch für diese Märkte ist eine hohe Markttransparenz und Reaktionsverbundenheit. Ein Anbieter folgt in seinen Strategien also dem anderen.
Es besteht aber auch ein hoher Anreiz die derzeitige Wettbewerbssituation durch Abstimmung zu stabilisieren. Dies kann man am Beispiel der SMS-Preise verdeutlichen: In den Standardtarifen aller Mobilfunkbetreiber kosten Kurznachrichten in der Regel 19 Cent. Das ist europäischer Rekord. Mit rund 36 Milliarden verschickten SMS im Jahr 2003 sind die Kurzmitteilungen ein starker Umsatzfaktor für die Unternehmen. Denn branchenintern geht man davon aus, dass eine SMS den Netzbetreiber nur ein Bruchteil dessen kostet.
Besserer Wettbewerb durch virtuelle Netzbetreiber
Der Wettbewerb auf dem deutschen Mobilfunkmarkt könnte jedoch einen neuen Schub bekommen: Denn der Kaffeeröster Tchibo will demnächst ins Mobilfunkgeschäft einsteigen. Dazu hat das Hamburger Unternehmen beim kleinsten deutschen Netzbetreiber O2 Minutenpakete eingekauft, um daraus seinen Kunden eigene Handypakete verkaufen zu können. In den Tchibo-eigenen Shops würden dann neben Kaffe und wechselnden Konsumgütern dann auch Mobilfunkprodukte in den Regalen stehen.
Mit Tchibo würde in Deutschland wieder ein sogenannter virtueller Netzbetreiber an den Start gehen. Das nicht mehr am Markt tätige Unternehmen Quam trat zu seinem Netzstart auch als virtueller Netzbetreiber auf. Quam kaufte sich die Gesprächsminuten vom Netzbetreiber E-Plus. Aufgrund der finanziellen Belastung durch den Kauf der UMTS-Lizenz konnte sich Quam am Markt nicht durchsetzen.
Ende des Jahres 2001 hatte Tele2 mit der damaligen Viag Interkom (O2) einen Kooperationsvertrag unterzeichnet, um in Deutschland ein virtuelles Mobilfunknetz zu betreiben. Aus technischen Gründen wurde das Projekt jedoch Anfang des Jahres 2003 aufgegeben. Tele2 hält sich diese Option aber weiter offen.
Mit den virtuellen Netzbetreibern würde neben Netzbetreiber und Serviceprovider die dritte große Anbietergruppe auf dem Markt aktiv werden. Dadurch wäre gleichzeitig eine Verschiebung der Angebotsstruktur denkbar. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass neben Tchibo auch weitere Anbieter als virtuelle Netzbetreiber auf dem Markt aktiv werden. So könnten die vier Netzbetreiber T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2 zu reinen "Verwaltern" ihrer Netze werden und ihre Minutenpakete an die Betreiber virtueller Netz verkaufen.
Der Markteintritt eines Konkurrenten auf dem Mobilfunkmarkt erhöht auf jeden Fall den Druck auf die Wettbewerber. Jedoch muss ein neuer Anbieter Tarife und Services präsentieren, die sich stark von denen der Wettbewerber unterscheiden. Das Beispiel Quam hat gezeigt, dass ein neuer Anbieter mit wenig differenzierten Angeboten wenig Chancen auf dem Markt hat: Quam hatte innerhalb eines halben Jahres lediglich 200.000 Kunden unter Vertrag.
Was könnte der Handy-Streik bewirken?
Sollten viele Handynutzer am Handystreik teilnehmen, würde es die Mobilfunkunternehmen an der empfindlichsten Stelle treffen: Den Gesprächsumsätzen. Das Beispiel des italienischen Handystreiks zeigt aber, dass ungern auf das Handy verzichtet wird und die hohen Gebühren dennoch bezahlt werden. Nach Meinung der italienischen Mobilfunkgesellschaften wurden keine Schwankungen in der Zahl der eingeschalteten Handys registriert. Trotzdem zeigen diese Aufrufe, dass sich die Verbraucher durchaus kritisch mit den Handygebühren auseinander setzen.
Möglicherweise sollte auch der Regulierungsbehörde Einfluss auf den Mobilfunkmarkt eingeräumt werden. Tatsächliche Kosten der Netzbetreiber könnten regulatorisch mit den verlangten Preisen verglichen werden. Ein Ausnutzen der Marktstellung und das Ansetzen zu hoher Preise könnte so verhindert werden.
(Juli 2004)