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Welche Inhalte können Handy-TV zum Durchbruch verhelfen?


Pilotprojekt ist keine Festlegung auf DMB
Dass das beschriebene Pilotprojekt keine vorzeitige Festlegung auf DMB als Standard bedeute, machte Tilmann Lang von der Hamburgischen Anstalt für neue Medien auf dem Medientreffpunkt Mitteldeutschland deutlich. Auch im Format DVB-H würden demnächst in vier Städten Showcases für Handy-TV gestartet - auch wenn es bis zur Marktreife von DVB-H noch einige Zeit benötige. Beiden Systemen sollte eine Chance gegeben werden, sich parallel zu entwickeln. Derzeit seien die Kapazitäten für DVB-H noch nicht flächendeckend verfügbar. Der Testlauf für DVB-H wird sich daher vor allem auf den Norden Deutschlands beziehen. 
 
Der Bayerische Rundfunk plant Medienberichten zufolge ebenfalls in Kürze einen Pilotversuch, bei dem Programme im DVB-H kostenlos auf mobile Endgeräte übertragen werden sollen. Wie Digitalfernsehen.de berichtet, können die Nutzer die Inhalte kostenlos und unabhängig von einem Netzanbieter empfangen. Ein BR-Sprecher sagte dem Magazin, dass wahrscheinlich die Programme Bayerisches Fernsehen und BR Alpha übertragen werden. Der Empfang solle über DVB-H-Steckkarten ermöglicht werden.
 
Später könne dann ausgehend von den Ergebnissen der Testläufe ein landesweites DVB-H-Netz errichtet werden und parallel zu der existierenden DMB-Infrastruktur in Betrieb gehen. Unklar ist noch, ob beide Standards nebeneinander existieren können oder sich eines gegen das andere durchsetzen wird.
 
Welche Inhalte können Handy-TV zum Durchbruch verhelfen?
Ungewiss bleibt auch weiterhin, ob sich Handy-TV überhaupt durchsetzen kann. So sind das Grundgerüst und die Kosten zur Zeit noch unklar. Aber an Ideen mangelt es nicht, wie der Medientreffpunkt Deutschland zeigte:
Inhaltlich am geeignetsten erscheinen der ProSiebenSat1-Gruppe Nachrichten, Comedy- und Serien-Inhalte. "Derzeit entwickeln wir neue Angebote, die auf dem Nachrichtenangebot von N24 basieren und spezielle Serien", sagte René Rummel von SevenOne Intermedia. Gedacht sei an Nebenstränge von Telenovelas, die der normale Zuschauer im Fernsehen nicht sehen kann. Erfahrungen der vergangenen Jahre hätten gezeigt, dass die Nutzer Inhalte suchten, die sie bereits aus dem Fernsehen kennen. Großen Wert legt die TV-Gruppe auf Interaktivität. "Die lässt sich weiter ausbauen. Wir wollen den Rückkanal stärker nutzen und Inhalte bieten."
 
Auch RTL glaubt an die Chancen von Interaktivität. Robert Fahle, Leiter der Mobile Media bei RTL Interactive warnte jedoch vor übertriebener Goldgräberstimmung. Interaktivität lasse sich nicht unendlich ausdehnen und auch nicht übermäßig ins normale TV-Programm einbauen, von den Kosten für die Nutzer einmal abgesehen. Auch der Kölner Privatsender bietet derzeit drei Mal täglich eigens fürs Handy-TV produzierte Nachrichten und einen Kanal für Fans der Serie "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Irgendwann soll es Special-Interest-Kanäle geben. Mit Blick auf die Preisdiskussion von Handy-TV favorisiert der RTL-Experte das Modell des Monatsbeitrags. "20 Euro halte ich für zu hoch. Preise zwischen fünf und zehn Euro scheinen mir relevanter."
 
Preisgestaltungen sind bei den Öffentlich-Rechtlichen derzeit kein Thema. Sie wollen zwar auf dem Zukunftsmarkt nicht außen vor sein, handeln jedoch nach der Parole: "Alles im Auge behalten. Vorbereitet sein und schnell Angebote machen, aber nicht über Gebühr Lehrgeld zu zahlen und in der ersten Reihe den Fortschritt voranzutreiben". So fasste Dr. Arnold Seul, Leiter Neue Medien beim MDR die Lage zusammen. Weil viele Fragen über Finanzierung, Rechte, Lizenzen und Pflichten offen sind, hält sich der MDR zurück.
 
Bezahlmodelle mit Mobilfunkanbietern wie die Privatsender könne der gebührenbezahlte Öffentlich-Rechtliche Rundfunk nicht aufbauen. Ob Fernsehangebote übers Handy gezeigt werden dürfen, die bereits mit der GEZ-Gebühr bezahlt worden sind, ist ebenfalls unklar. "Dennoch denken wir über Inhalte nach. Vor 2007 werden wir aber nicht mit an den Start gehen", meinte Seul.
 
(Mai 2006)